Take a deeeeeeep breath.

Ein lauer Abend in Costa Rica, inmitten des Covid-Peaks. Zum Glück bekommt man in Santa Teresa, einem kleinen Surf-Mekka am südlichen Zipfel der Nicoya-Halbinsel, wenig davon mit. Und so drehen sich auch unsere Gespräche an diesem Abend nicht um Covid, zum Glück!

Der Gastgeber Stefano ist ein italienischer Auswanderer und ein wirklich begnadeter Yogalehrer. Und so dreht sich auch unser Gespräch um die Yoga-Crowd, die hier in Santa Teresa das natürliche Pendant zu den Surf-Addicts bildet. Ich will wissen, wie man denn dahin kommt, bestimmte Asanas so vollkommen auszuführen und sofort entgegnet mir Stefano : Es ist gar nicht wichtig, dass es perfekt ist. “You are perfect where you are.” , sagt er. Och nö, denk ich, nicht schon wieder dieses Harmonie-mit-mir-und-dem-Universum-Gedöns. Und wahrscheinlich denkt sich Stefano gerade: Och nö, nicht schon wieder so eine verspannte Selbstoptimierungs-Tussi . Immer voll verkrampft, immer alles perfekt machen wollen (yeah, meine deutschen Gene machen´s nicht besser).

DIE perfekte Ausführung, so Stefanos Theorie, die sei totale Abstraktion. Überhaupt: Wir Menschen quälen uns immer mit irgendwelchen Idealen herum, die so in der Welt nicht existieren, sondern nur in unseren verqueren Köpfen. “Perfect beauty, perfect asana, perfect wisdom - it is all pure abstraction, it does not even exist!” Dann kommt er mit einem schlagenden Beispiel: “Was ist das Gegenteil von einem Apfel?” Schweigen. Ich versuch´s mit “Birne?” Er, triumphierend: “No!” Es gibt kein Gegenteil zu einem Apfel. Ein Apfel ist ein Apfel. Basta. Materiell präsent und einfach da. In seiner ganzen (vielleicht wurmstichigen) Fabelhaftigkeit, die sich zu einem so nicht wiederholbaren, absolut einmaligen Molekülklumpen zusammengefunden hat.

Ich gebe ja zu, ich verstehe, was er meint. Wir fügen uns selbst unnötige Qual zu, indem wir immer unzufrieden sind mit dem Status quo. Dieser Reflex, immer gleich alles bewerten und vergleicehen zu müssen: Bin ich gut genug? Wie steh ich im Vergleich zu anderen da? Besser? Schlechter? Anstatt einfach mal zu sagen: Yoah, so ist eben mein persönliches Tänzer-Asana. Oder mein herabschauender Hund. Vielleicht mit einem leichten Katzenbuckel statt einer perfekten schiefen Ebene vom Anus bis zum Halswirbel. So what!

Aber in mir regt sich Widerspruch. Es hat doch auch was Gutes, sich entwickeln zu wollen und nicht immer nur zu sagen: Ich bin voll okay so, die Welt ist voll okay so. Ideale, Wünsche usw. sind keine pure Abstraktion , denn: Sie existieren in unseren Köpfen, und zwar ganz uns gar materiell und wissenschaftlich nachweisbar. Sie sind also auf stofflicher Ebene existent in unseren Gehirnen. Einfaches Beispiel, mal wieder: Ob da ein realer Apfel oder nur ein Bild eines Apfels liegt, ist unserm Gehirn schnurz. Wenn Hunger/Lust auf einen Apfel da ist, feuert es sofort los. Es aktiviert uns, es entsteht Bereitschaft, zu essen. Appetit, Speichelfluss. Und das ist schon ziemlich real.

Vielleicht suche ich nur nach einer typischen Selbstoptimierer-Ausrede. Doch aus neurowissenschaftlicher Sicht ist es schon spannend, wie unser Gehirn einfach an uns vorbei Fakten schafft. Vor allem der älteste Teil unseres Gehirns, wo die Emotionen ihren Sitz haben: die Amygdala und das so genannte limbische System. So sehr uns die Idee gefällt, dass wir Vernunftwesen sind, die mit ihrem präfrontalen Cortex rationale Entscheidungen treffen - wir sind und bleiben Instinktwesen, mehr durch Emotionen, Urwünsche und Urängste geprägt, als uns lieb ist. Das ist auch für meinen Texterinnen-Alltag bedeutsam. Denn wenn wir über Markenpositionierungen nachdenken, dann können wir diese limbischen Komponenten nicht ignorieren. Dazu mehr ganz bald!

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