Royal Vintage Wörter

Anlässlich der heutigen Beerdigung meines britischen Lieblingsroyals Prinz Philip möchte ich ein paar wahrhaft königlich schöne Wörter der deutschen Sprache beleuchten. Elegante Saurier unseres Sprachschatzes, die kaum mehr im Munde geführt werden. In einem Fall bin ich nicht mal sicher, ob das Wort nicht eine Eigenschöpfung meiner Omi war. Für Hinweise bin ich sehr dankbar. Meine ganze Familie rätselt bis heute, woher der Begriff kommt…

Die Verbform “sähe” (1. Person Singular Konjunktiv 2)

Ich weiß, eine sehr seltsame Liebe ist das. Um offen zu sein: Ich höre diese Verbform so gut wie nie, och es gibt mir ein heimliches Kribbeln, einen kleines Sprach-High, nur so für mich selbst, wenn ich es wie nebenbei in meine Sätze einstreue. Etwa in der indirekten Rede wie hier:

“Du, er sagt, es sähe gut aus mit nächstem Samstag. Lass uns also wandern gehen!”

Das Tolle ist: Es kriegt kaum jemand mit, was ich da veranstalte. Niemand würde mir vorwerfen, dass ich mal wieder sprachlich auftrumpfen will mit meinem Philologendeutsch. Dieses “sähe”, es ist phonetisch so nah an der gängigen Präsensform (und übrigens auch Konjunktiv-1-Form) “sehe”, dass es völlig unbemerkt durch die Konversationsmaschen schlüpft. Wenngleich ich mir wirklich Mühe gebe, das “ä” auch offener zu sprechen als das “e”, so gehört sich´s nämlich. Doch das wird selbst von den meisten professionellen Sprechen, etwa im Radio, nicht mehr bewusst gemacht.

Die Konjunktion “indes (bzw. indessen)”

Weiter geht´s mit einer Wortart, die völlig zu Unrecht ein arges Stiefmütterchendasein fristet. Der Konjunktion. Konjunktionen sind Satzscharniere und verbinden Haupt- und Nebensätze. Beliebte, Konjunktionen sind etwa “weil”, “obwohl”, “während”, “um…zu”, “aber”, bevor/nachdem. “Indes” hört man eher selten. Dabei ist es so herrlich kurz und zugleich so schillernd. Es kann entweder pure Gleichzeitigkeit ausdrücken (analog “während”), etwa hier:

“Indes er seine Arbeit fertigstellte, gingen die anderen spazieren.”

Aber eben auch einen subtilen Gegensatz (Bedeutung “wohingegen”, “jedoch”…):

“Er war ein rechter Lebemann, indes seine Frau ein eher ruhiges Naturell aufwies.”

Warum mir das so gefällt? Weil der Gegensatz so schön unterschwellig ist, so gar nicht anklagend oder Partei beziehend. Es wird einfach nur mit Understatement zu verstehen gegeben, nun, dass hier ein gewisser kleiner Graben ist. In unserer Kultur der Shitstorms ist dieses kleine “indes” wie eine fünfbuchstabige Anti-Aggressionstherapie.

Die “Augenweide”

Herrliche Metapher. Ein Wort, das sich für mich persönlich so anfühlt, als würde man barfuß über Moos wandern, an einem vielversprechenden Sommermorgen, wenn noch alles taufrisch und unverbraucht ist. Im Vordergrund steht die Idee, dass der Betrachter (oder *in) nicht müde wird, das Objekt mit dem Blick abzuwandern, auf und ab, völlig ziellos nur der Intuition des Moments gehorchend. Ein ergötzendes, fruchtbares Land für die Retina ist diese Augenweide! Das wirklich Letzte, woran man jetzt denken mag, sind Kühe, die die Atmosphäre mit Methanfürzen eintrüben.

Und jetzt das Wort meiner Oma: Der Houdschak (Hutschak? Hudschak??)

Meine Oma war eine exzellente Köchin und ich habe es geliebt, am Wochenende bei ihr zu übernachten. Das ist freilich sehr sehr lange her, doch lebhaft in Erinnerung geblieben ist mir vor allem eins: der knusprig-saftig-schmurgelige Hühnerschenkel mit Kartoffelbrei, den ich mir immer gewünscht habe. In der Sprache meiner Omi war der Hühnerschenkel der “Houdscheak”. “Na, Spatz, soll die Omi Houdschak machen?” fragte sie mich immer am Telefon. Nun muss man sagen, dass meine väterliche Familie aus Cosel (Oberschlesien) kam, also dem heutigen Polen. Und es sieht ganz danach aus, dass sie eine Verballhornung des polnischen “kurczak” vorgenommen hat, was im Polnischen soviel wie “Huhn” heißt. Wir sind lange Zeit nicht auf den richtigen Trichter gekommen, eben weil im Schriftbild ein “k” im Anlaut des polnischen Wortes steht. Aber so wie es aussieht, sprechen die Polen das wie ein “h” aus. Wer auch immer mir das bestätigen kann, löst ein Rätsel meiner Kindheit!

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